Der Blasmusik- Weltrekordversuch
begeisterte am Sonntag Musikanten und Besucher
Am Samstag, 30. März wurde das Festungsmuseum Heldsberg um ein Ausstellungsstück reicher. Feierlich wurde dem Museum die von Anja Hangartner gefertigte Holzskulpturengruppe zu Ehren von Paul Grüninger übergeben.
St. Margrethen Paul Grüninger,der in Au wohnhaft gewesene Polizeikommandant, der in den Jahren 1938/39, mehrere hundert jüdische und andere Flüchtlinge über die Rheingrenze einreisen hat lassen und sie so vor der nationalsozialistischen Verfolgung gerettet hatte, wurde mit einer weiteren Gedenkstätte geehrt. Die Holzskulpturen aus Pappelholz von Anja Hangartner aus Altstätten wurden am 30. März feierlich an das Festungsmuseum Heldsberg in St. Margrethen übergeben.
«Am 6. Mai 2012 wurde ein Artikel veröffentlicht, in dem die Rheinbrücke zwischen Diepoldsau und Hohenems zur ‘Paul-Grüninger-Brücke’ umbenannt wurde. Dies und der Diepoldsauer Wuchsort des Pappelholzes, das ich für mein Projekt am Symposium der Rheintaler Holzkunst-Aktionen bekommen habe, haben mich dazu inspiriert, die Figurengruppe mit Paul Grüninger und einer Flüchtlingsfamilie zu fertigen», erinnert sich die Holzbildhauerin Anja Hangartner. Dies geschah zum Gedenken an den 40. Todestag von Paul Grüninger, der als Polizeikommandant Tausende Flüchtlinge vor dem Tod rettete. «Ich recherchierte also über Paul Grüninger und wollte ihn so originalgetreu wie möglich darstellen», erklärt die Altstätterin.
2022 jährte sich der Todestag von Paul Grüninger zum 50. Mal. Die Holzbildhauerin und ihr Mann heirateten in diesem Jahr und Anja Hangartner dachte sich, dass sie mit den Holzskulpturen auch kommenden Generationen und auch sich ein Geschenk machen wollte. Kurzerhand meldetet sie sich beim Festungsmuseum Heldsberg in St. Margrethen, wo sie anfragte, ob Interesse an den Holzfiguren bestehe. «Dann können alle die Skulpturen anschauen. Denn in unserer Garage sehen sie nicht viele Leute», so die Holzbildhauerin und ergänzt: «Hier im Museum haben sie eine wunderbare neue Heimat gefunden, wo man sogar auf den Ort der einstigen Geschehnisse schauen kann.»
Im Zuge der Vernissage im Festungsmuseum Heldsberg war auch Dieter Roduner, der Enkel des ehemaligen Polizeikommandanten anwesend. Der pensionierte Sekundarlehrer aus Wagen bei Rapperswil-Jona erinnert sich an die Kindheit mit seinem berühmten Grossvater: «Wir Enkel hatten eine enge Bindung zu unserem Grossvater. Er wohnte bereits seit 1955 am Kirchweg in Au, neben dem Gemeindehaus, wo mein Vater als Gemeinderatsschreiber und später als vollamtlicher Gemeindeammann arbeitete.»
Sie hatten als Kinder viel Kontakt mit den lediglich wenigen Metern entfernt wohnenden Grosseltern. Über die Geschichte seines Grossvaters wurde Dieter Roduner viel von seiner Mutter Ruth Roduner erzählt. Er schrieb in der Kantonsschule etwa im Jahre 1967 einen Vortrag im Deutschunterricht, der mit dem Satz endete: «Dieser Mann war mein Grossvater.» Dieser machte ihm bewusst, dass er die Taten seines Grossvaters Paul Grüninger sehr bewunderte.
In der Vergangenheit besuchten die Enkel Paul Grüningers ihn beim Unterrichten: «Mein Grossvater durfte seinen erlernten Beruf nach seiner Entlassung als Polizeikommandant nicht mehr im Kanton St. Gallen ausüben. Deswegen besuchten wir ihn bei seinen Stellvertretungen im Appenzellischen. Hätte er damals seinen ursprünglich erlernten Beruf als Primarlehrer nach der Entlassung ausüben dürfen, hätte er auch eine anständige Rente gehabt und es wäre ihm viel Leid erspart geblieben», vermutet Dieter Roduner.
Ein wichtiges Jahr in seinen Erinnerungen sei das Jahr 1968. Damals erschien im Rheintaler der Artikel «Unrecht sollte wieder gut gemacht werden» von Dr. Willi Rohner, der schweizweit veröffentlicht wurde und auch in der amerikanischen Presse grosses Aufsehen erregte. Dieser Artikel soll laut Dieter Roduner auch der Auslöser gewesen sein, dass letztendlich ein Film über die Geschichte seines Grossvaters gedreht wurde.
Paul Rechsteiner, ehemaliger Nationalrat und Ständerat des Kantons St. Gallen, beleuchtete die Geschichte von Paul Grüninger aus politischer Sicht: «Am 18. August 1938 hatte der Bundesrat die Grenzsperrung verfügt. Alle die nachweisen konnten, dass sie keine Juden sind, oder vor dem 18. August eingereist sind, durften in der Schweiz bleiben, alle anderen wurden an der Grenze zurückgewiesen.» In einer Besprechung vor der Schliessung der Grenze sprach sich der damalige Polizeikommandant Grüninger gegen diesen Schritt aus und wies auf das Leid hin, mit dem er an der Grenze Tag für Tag konfrontiert war. Um das Leben vieler Juden zu retten, wandte Paul Grüninger eine Fälschung an. Er datierte die Einreise von Flüchtlingen jeweils vor den 18. August, damit es so wirkte, dass diese auf legale Art und Weise in die Schweiz eingereist seien. «Mit der Zeit fielen die Zahlen in St.Gallen auch dem Bundesrat in Bern auf und es wurde eine Untersuchung angeordnet. In diesem Moment wurde Paul Grüninger überführt und als Polizeikommandant entlassen», erklärt Paul Rechsteiner. 1940 wurde er zudem vor Gericht gestellt und zu einer Busse verurteilt.
1993 begann Stefan Keller im Zuge einer Studie, die vom Polizeikommandanten geretteten Personen auf der ganzen Welt ausfindig zu machen. Die St. Galler Regierung rehabilitierte Paul Grüninger erst 21 Jahre nach seinem Tod, 1993, nachdem Stefan Kellers Buch «Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe» erschienen und ein Verein «Gerechtigkeit für Paul Grüninger» aktiv geworden war. 1995 wurde Paul Grüninger im selben Gerichtssaal, in dem damals sein Urteil verkündet wurde, von seinen Taten freigesprochen. Paul Rechsteiner betont: «Wir können heute stolz sein, dass so ein Mann wie Paul Grüninger in der Schweiz im Kanton St. Gallen gewirkt hat.»
Saisoneröffnung Museum Heldsberg
Seit dem 30. März öffnet das Festungsmuseum Heldsberg an jedem Samstag von 10 bis 16 Uhr für Einzelbesucher bis Ende Oktober. Allein schon die militärische Anlage die im Jahre 1941 im Heldsberg erbaut wurde erstaunt die Besucherinnen und Besucher immer wieder. Diese bietete die komplette, ausgeklügelte Infrastruktur für über 120 Mann Besatzung. Geöffnet ist ebenso die Sonderausstellung zur Festungswache und die permanenten Ausstellungen wie beispielsweise «Telefon und Funkgeräte», «Waffen der Schweizer Armee» und «Handfeuerwaffen für Sportschützen». Gruppenführungen sind jederzeit möglich, eine Anmeldung ist aber erforderlich.
Von Manuela Müller
www.festung.ch
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